Grande Chroniques de France - 1390-1405 - BNF Français 2608 fol 2 v

Setztartschen oder Sturmwände (stormtharze) sind große, mannshohe Schilde mit einer leichten Wölbung, die breit genug sind um zwei Personen Schutz zu bieten, und in deren Deckung Armbrust- oder Büchsenschützen bequem ihre Waffen nachladen konnten.

Sturmwände waren mit eisernen Standspitzen und Aufstellstangen versehen, mit denen sie sicher aufgestellt (gesetzt) werden konnten. Mit Hilfe von Klappgriffen und den Aufstellstangen konnten die Schilde getragen werden. Zahlreiche Sturmwände weisen ein oder mehrere Gucklöcher auf, die teilweise mit schwenkbaren Klappen oder Lochblechen zum Schutz vor anfliegenden Projektilen bewehrt waren. Beim Sturm auf gegnerische Befestigungsanlagen konnten Schützen die Sturmwände mit den beiden Aufstellstangen über den Schultern derart auf dem Rücken tragen, dass sie dabei beide Hände frei hatten und vor gegnerischen Steinwürfen geschützt waren.1) Neben relativ einfach gefassten Sturmwänden gab es auch solche mit künstlerisch, dekorativ gestalteten Fronten, wie erhaltene Originale aus Böhmen, Kaufbeuren, Erfurt, Prag oder Ravensburg zeigen.2)

Diebold Schilling: Amtliche Berner Chronik Bd. 3 Bern um 1478-1483, Burgunderbibliothek Bern Mss.h.h.I.3 S. 413 Aus Hamburg gibt es keine sächlich überlieferten Schilde, diese wurden entweder nicht aufgehoben oder wurden ein Raub der Flammen der verschiedenen Stadtbrände. Schriftliche Hinweise gibt es jedoch aus den Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg.3) Diese enthalten mehrere Einträge zu Schilden, die hier als "tarse", "tartze", "tarze" und "tharze" geführt wurden. Allerdings geben diese Einträge keine Auskünfte darüber, ob es sich um Reiter-, Hand- oder Setzschilde handelt. Aus den Einträgen lassen sich zumindest die Ausgaben der Stadt für einige Schilde entnehmen, so rechnete der Kämmerer 1350 "Ad balistas: Pro tarsen 1 ℔"; 1361 "12 ß vor tharzen"; 1362 "Ad turrim: Domino Hinrico Crowel. Alberto de Ghellerssen. Ad reparandum unam novam tarsen 2 ₰"; 1364 "Ad diversa: Ad reducendum de Lubek quedam instrumenta per Rumelive, videlicet tartzen, balistas, ollas, caldaria et alia diversa instrumenta. 10 ß pro 1 balista amissa" und 1365 "8 ß Alberto Middeneuntwey pro una tharzen" ab.3) In den in mittelniederdeutscher Sprache abgefassten Hamburgischen Burspraken, in denen der Rat der Stadt regelmäßig Gesetze und Verordnungen öffentlich ausrief, wurden sie im Laufe des 15. Jahrhunderts in mindestens sieben Burspraken als "schild" oder "schilt" bezeichnet.4) Hier legte der Rat der Stadt Hamburg in regelmäßiger Folge fest, welche Bürger Schilde zur Stadtverteidigung bereitzuhalten hatten, doch auch diese Einträge geben keine Auskunft über deren Typ und Größe. Beispielhaft sei hier der entsprechende Abschnitt der Petri-Bursprake aus dem Jahr 1436 widergegeben:

"So buth de raed, dat eyn iewelick erfsetene borger, renteneer vnde cop man schal syn harnsch vnde were heb ben vnde heb ben dar to schilt, hoed vnde eyn gued armborst mid enen hundert verdiges schotes. De jungen bruwere, de neen eghen erue hebben, vnde eyn iewelick amptman, de sines sulues is, schal tome mynsten yo hebben schilt, hoed, armborst vnde eyn halfhundert verdiges schotes."5)

Dem gegenüber stammen ausdrückliche Erwähnungen von Sturmtartschen aus Einträgen der Tresslerbücher des Deutschen Ordens, wo dieser 1405 "… 2½ m. for 23 stormtarczen zu bessern …" und nur ein Jahr später, 1406 "… 10 m. an 8 scot for 150 stormtarcze zu bessern yo vor schilde 4 sch[illing]" ausgab. Die getrennte Nennung von "stormtarczen" und "schilde", lässt den Schluss zu, dass es sich bei ersteren um große Setzschilde oder Sturmwände handelte.6)

 

Rekonstruktion

Vorlagen

Ravensburger(?) Setzschild im Dänischen Natinalmuseum Kopenhagen

Bei der Anfertigung unserer Tartsche orientierten wir uns bei den Dimensionen, dem Aufbau und der Metallausstattung an den Setzschilden im Bernischen Historischen Museum1), die Bemalung wurde in Anlehnung an die Sturmwände im Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen, den Erfurter Setzschilden7), sowie den im Wiener Bürgerlichen Zeughaus8)9)aufbewahrten Tartschen ausgeführt. Wegeli beschreibt nicht weniger als zehn Bernische Sturmwände, diese haben Höhen von 195 bis 200 cm, Breiten von 88 bis 97 cm und Gucklöcher von ca 10 cm Kantenlänge. Ihre Gewichte reichen von 24 bis 29 kg. Sie alle haben eiserne, schwenkbare Klappen vor den Gucklöchern, Eisengriffe, Standspitzen und Beschläge für Aufstellstangen. Ihr Kern besteht aus Tannenholzbettern mit einem Querriemen. Darüber waren Werg-, Stoff- und vereinzelt Lederschichten aufgeleimt. Die Vorderseiten zweier Sturmwände waren schwarz, die übrigen sind unbemalt.10) Die bisher ausführlichste Arbeit über Setztartschen hat Martin Siennicki 2020 im Rahmen seiner Diplomarbeit veröffentlicht. Er liefert nicht nur einen umfangreichen geschichtlichen Abriss, eine Fülle an Primärquellen, erhaltenen Originale, samt Beschreibungen, sondern auch eine sehr ausführliche Untersuchung eines Kaufbeurer Originals, mitsamt seiner genauer Rekonstruktion.11)

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Rekonstruktion

Setztartsche vor der Burgruine Brandenburg

Der Korpus unserer Tartsche besteht aus elf Fichtenbrettern. Um eine gleichmäßige Wölbung zu erhalten, haben wir zunächst die Stirnseiten der Bretter schräg abgehobelt. Anschließend wurden die Bretter miteinander verleimt und zum Trockenen auf einer Stützkonstruktion gegeneinander verspannt. Nach einer Woche Trockenzeit wurde die Vorderseite grob abgehobelt, die vier Ecken abgerundet und der Schildkörper zu den Kanten hin dünner abgezogen. Im nächsten Schritt wurden auf der Vorder- und Rückseite je eine Schicht Werg mit Hautleim quer zur Faserrichtung des Holzes aufgeleimt. Anschließend wurde das Guckloch ausgesägt. Auf der Rückseite wurde eine Schicht Leinenstoff aufgeleimt und die überstehenden Ränder nach vorne umgeschlagen. Anschließend folgte eine Schicht Leinen auf der Vorderseite und, deren überstehende Enden weit auf die Rückseite reichten. Rückseitig wurde anschließend eine zweite Leinenschicht aufgeleimt und nach vorne umgeschlagen. Abschließend erhielt die Vorderseite eine letzte Schicht feineren Leinenstoffs, deren Enden nach hinten umgeschlagen und verleimt wurden. Nach mehrwöchigem Trocknen wurden beidseitig mehrere Schichten Kreidegrund aufgestrichen. Die Rückseite wurde einfarbig mit roter Eitempera bemalt. Auf der Vorderseite wurde die Vorzeichnung des späteren Motivs skizziert, die freien Flächen des Hintergrundes und das Motiv mit Eitempera ausgemalt. Vor dem Firnissen wurden auf der Rückseite ein kolorierter Druck der Hl. Barbara sowie ein gemalter Zettel mit unserem Wappen der Kirchspiele St. Petri und St. Pauli aufgeklebt und auf beide Seiten mit Leinölfirnis gestrichen. Die eisernen Beschläge: Klappe für das Guckloch, Tragegriff, Aufstellspitzen, Beschläge für die Aufstellstangen hatte uns Timm Esemann geschmiedet. Diese wurden von Bastien Lhuissier in seiner Schmiede aufgenietet. Abschließend erhält die Tartsche noch weitere Schichten Leinölfirnis als Wetterschutz.

Als Motiv für die Vorderseite wählten wir einen Wildmann, einem beliebten Motiv seiner Zeit, dem ambivalente Eigenschaften zugeschrieben wurden, von denen einige bis in vorchristliche Zeit zurückreichen. Einerseits galten Wildleute als primitiv, urtümlich, wild und stark, andererseits verkörperten sie die unschuldiges Leben, die überwundene bedrohliche Natur und symbolisierten überkommene archaische Entwicklungsstufen, aber auch die Sehnsucht nach verlorengegangenen paradiesischen Idealen. Einem Konzept, das nach heutigen Maßstäben am eheseten dem „Im Einklang mit der Natur" nahekommt, welches aber historischen Menschen weigehend unverständlich war. Diese Gemgenelage machte Wildleute zu beliebten Wappenhaltern in der Heraldik. Unser Wildmann schwingt in der Rechten eine Keule und lässt seine linke Hand auf dem umgebundenen Hamburger Wappenschild ruhen. Das Motto im Spruchband: dex[tra] domini fecit virtutem, etwa: Die Rechte der Herrn tat Mächtiges, entstammt einem gregorianischen Offertorium aus dem 9.–12. Jh. und geht zurück auf Psalm 117 Vers 16 der Bibel. Das Motto findet sich in dieser Form auf dem Knauf eines vermutlich aus Norditalien stammenden Nierendolches um 1450 aus der Sammlung Baumann im Bestand des RothenburgMuseums, Rothenburg o.d. T.12)

Im Laufe des Baufortschritts näherte sich das Gewicht unserer Tartsche allmählich den von Wegeli beschriebenen Gewichten der Berner Tartschen an. Leider erreichte uns Siennickis Arbeit über den Aufbau und seine Rekonstruktion einer Kaufbeurer Tartsche erst, nachdem unser Schild an den dafür relevanten Bauabschnitten schon längere Zeit abgeschlossen war. Glücklicherweise zeigte sich jedoch, dass wir mit unseren Überlegungen zu unserem Rekonstruktionsversuch, im Vergleich mit seinen Untersuchungsergebnissen, auf einem vertretbar richtigen Weg waren. Im Gegensatz zu unserer Konstruktion war das Kaufbeurer Exemplare aus zwei verleimten und über Feuer gebogenen Brettern zusammengesetzt, die Laminierung bestand aus geklopften Tiersehnen und die Bespannung aus Rohhaut.11)

Die Fertigstellung der Tartsche hat sich aus mehreren Gründen über zehn Jahre hingezogen, einerseits fiel das Fahrzeug weg, in dem sie aufgrund ihrer Dimensionen hätte transportiert werden können, zum anderen brauchte eine passende Gelegenheit, Gesicht und weitere Details des Frontmotivs weiter zu malen, dann wäre sie zu passenden Veranstaltungen nicht rechtzeitig fertig geworden, und schließlich fehlte die Motivation von außen, sie endllich fertigzustsellen. Schließlich wurden alle Bedenken beiseitegeschoben und das Werk zum zehnjährigen Bestehen der Bummsbrigade Hamborch im Steptember 2023 vollendet.

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Mit den beiden Aufstellstangen und den eisernen Standspitzen lässt sich die Tartsche sicher und fest positionieren. Mit Hilfe des Tragegriffes und der Aufstellstangen lässt sich die Setztartsche bequem von einem Mann Tragen indem die Tartsche an dem Griff mit einer Hand angehoben, gegen den Rücken abgesstützt und mit der anderen Hand an den Aufstellstangen geführt wird.

 

Einzelnachweise

  1. Wegeli (1920)
  2. Eine böhmische Tartsche aus einer Kunstauktion von 1994, jetzt in Privatbesitz; Erfurter Tartschen im Deutschen Historischen Museum Berlin, Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Metropolitan Museum of Art New York; Prager Tartschen im Musee de'l Armee Paris und dem Stadtmuseum Prag; Ravensburger Tartschen im Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen, dem ehem. Zeughaus Berlin Inv. 8936 (verschollen) oder dem Koninklijk Museum van het Leger en van de Krijgsgeschiedenis Brüssel.
  3. Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg: 1350-1400)
  4. Bolland (1960)
  5. Bolland (1960): 17.27
  6. Engel (1897): S. 197-198
  7. Horn (2019)
  8. Mayr, Steinkellner (1977)
  9. Singer (1980)
  10. Wegeli (1920): S. 14-17
  11. Siennicki (2020)
  12. Baumann (2010): S. 592

Währungssymbole: ℔ talentum (Pfund) / ß solidus (Schilling) / ₰ denarius (Pfennig)

Text: Andreas Franzkowiak
Fotos: Andreas Franzkowiak, Andreas Vollborn-Rahn